Es ist ein neuer Tag zwischen Weihnachten und Neujahr, der sich friedlich ankündigt. Ein in unserer Stadt wahrgenommenes Phänomen: Der Wind ist der große Abwesende in den Wetternachrichten. Die Idee zu tauchen und Seeigel zu sammeln ist angebracht, und schnell hat die ganze Familie zugestimmt. Das Meer ist ruhig im Golf von Vintilegna. An der Spitze der Testerella vollzieht sich unse Ernte bei guter Laune und dem Stimmengewirr, das üblicherweise unsere Familienausflüge begleitet. Anzüge, Schwimmflossen, Masken, Handschuhe, Netz und Gaff – nun sind wir für die Ernte ausgerüstet. Aus dem Lateinischen ericius, was Igel bedeutet, sind die Bezeichnungen für dieses kleine Tier mit dem mit Stacheln bedeckten Kalkkörper in den romanischen Sprachen linear. Riccio di mare auf Italienisch, enriçò de mar auf Okzitanisch, ricciu di mare ou zinu auf Korsisch, ouriço-do-mar auf Portugiesisch, wobei man dabei eine toponomastische Beständigkeit in der Warnung vor der nesselnden Gefahr erkennen kann.
Marcel Pagnol hatte im übrigen Recht, als er sagte, wenn man die Dinge nach ihrem Äußeren beurteilen würde, nie jemand je einen Seeigel hätte essen wollen!

 
In meiner Jugend fischten wir sie, ohne uns nass zu machen vom Rand unseres Ruderboote aus, mit Hilfe eines kleinen Fanghakens und eines Eimers mit Glasboden, der es uns in seiner Rolle als vergrößernde Maske ermöglichte, sie auf dem Meeresgrund zu erkennen. Im Handumdrehen sammelten wir mehrere Dutzend auf. Heute ist die Ressource weniger ergiebig und wurde glücklicherweise reglementiert, um ihr Überleben zu sichern.
Auf den Felsen am Wasserrand sitzend, sind wir im Begriff, unsere Ernte zu teilen. Die Verkostung geht ruhig vonstatten, feierlich sogar, so köstlich (ohne Wortspiel) ist der Moment. Zwischen den Anhängern der Seeigel-Öffner und denen der traditionellen Schere hält jeder Schnitt eine Überraschung bereit und nährt die Hoffnung, das Tier mit den fleischigsten roten Zungen zu finden. Je nach Geschlecht der einzelnen Tiere variieren die Farben von Gelb über sämtliche Braun- und Orangetöne bis hin zum kräftigen Rot. Es ist eine himmlische Freude, die kleinen korallenroten Zungen mit dem kleinen Löffel zu lösen, diese schmelzende und stark jodhaltige Leckerei langsam in den Mund einzuführen und mit einem Stück knusprigen Brots und je nach Geschmack einem Schluck trockenen oder fruchtigen Weißweins zu begleiten.

 
Beim Schreiben dieser Zeilen läuft mir immer noch das Wasser im Mund zusammen.
Ebenso himmlisch ist der postprandiale Moment, wenn man auf dem Sand liegt und die Ruhe des Ortes in sich aufnimmt, wobei ich nebenbei meine Auswahl für den Ort meiner abendlichen Aufnahmen aufstelle.
Ich werde in Sutta Rocca am Fuße der Zitadelle diesen jodhaltigen Tag vor einem Sonnenuntergang und einer Zitadelle beenden, die auf witzige Weise die Orte mit der farbigen Note des Tages als Krönung aufeinander abstimmen.

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Bonifacio, Korsika, Frankreich