Ich habe meinen Freunden eine unvergessliche Erinnerung versprochen, die weniger als eine Stunde dauert, und zwar ohne zu rennen und noch nicht einmal zu laufen. Einfach nur, indem man sich vom Strom treiben lässt. Und ich werde mein Versprechen halten! Sofort einsteigen für die „Klippen-Kreuzfahrt“ an Bord eines Schnellboots der Schiffer von Bonifacio!

Ich bin mit meinen Kumpels um 9 Uhr auf dem Quai d‘Honneur verabredet, direkt am Hafeneingang, neben einem hübschen Holzpavillon. Zur angegebenen Zeit aber ist niemand da. Dabei kann man sich doch eigentlich nicht irren… Ich wette, sie waren gestern Abend ein bisschen länger weg, und der Wecker war heute morgen nicht richtig eingestellt. Naja, dürfen sie doch auch, sie sind doch schließlich im Urlaub, oder?

Ist auf jeden Fall nicht schlimm, es gibt eine Abfahrt jede halbe Stunde. Dann warte ich halt noch ein bisschen und schaue mir dabei die … Aber nein, da sind sie ja. Gerade noch rechtzeitig, um die erste – und beste – Abfahrt des Tages zu nehmen.

Kaum auf dem Boot, fährt dieses langsam den Hafen hinauf und schon bietet sich uns das erste Spektakel: Luxus-Yachten sind wie zur Parade aufgereiht, wir fahren nur wenige Meter an ihnen vorbei. Arthur, der Nobelschlitten und überhaupt alles mag, was glänzt, fragt mich sofort, was das kostet. Ich weiß es nicht genau, aber mehrere Dutzend Millionen. Wenn nicht gar Hunderte! Ich rate ihm, im Lotto zu spielen…

 

Wir fahren aus dem Hafen hinaus und biegen rechts zu einem kleinen rot-weißen Leuchtturm ab: La Madonetta, die „kleine Madonna“. Wenn man genau hinschaut, entdeckt man mitten im Gebäude eine kleine Statue der Heiligen Jungfrau, ganz in himmelblau und weiß gekleidet. Sie ist es, die über die Seefahrer, Fischer und alle Personen wacht, die mit dem Schiff unterwegs sind. Außerdem haben wir Glück, das Meer ist ruhig. Heute braucht man sich keine Sorgen zu machen. Manchmal ist es ein bisschen bewegter, aber die Schiffer sind es gewohnt und steuern ihre Maschinen sehr geschickt. Um es anders zu sagen: Es ist nie jemand krank.

 

Ein paar Hundert Meter weiter biegt das Schiff rechts ab und fährt auf die Klippen zu. Man kann dort eine ganz kleine, tiefschwarze Öffnung erkennen: Der Eingang zur Grotte S‘Dragonatto, der „kleine Drachen“. Ich sage meinen Freunden Bescheid, dass wir in dieses kleine Loch hineinfahren werden. „Mit unserem großen Schiff?“, fragt mich Arthur. O ja, Kumpel! Geh an den Bug des Schiffes und löse sofort die Kamera aus, du wirst einen seltenen, spektakulären Moment filmen.

 

Vor dem kleinen Eingang hält das Boot kurz an, es wartet auf die richtige Welle. Dann plötzlich, hopp, volle Fahrt: Das Schiff schlüpft durch den steinernen Durchgang, wobei es auf beiden Seiten nur wenige Zentimeter frei lässt. Beeindruckend!

Und auch drinnen ist es beeindruckend! Wir sind in einer Grotte, die dann doch gar nicht so klein ist. Und außerdem ist sie unter freiem Himmel. Ihre Decke ist beeindruckend, denn es zeichnet sich dort das Profil Korsikas ab. Wie auf einer Landkarte, aber mit himmelblauem Hintergrund und ein paar vorüberziehenden Wolken. Es ist voller Poesie. Meine Freunde hören gar nicht auf zu fotografieren. Das Boot dreht aber bereits wieder um, steuert auf den Ausgang zu und fährt mit Bravour nur wenige Zentimeter an der Felswand vorbei. Wir sind draußen, Applaus an Bord!

Es fährt nun auf eine kleine Bucht zu, die Anse de Fazzio. Ein Traumort. Das Wasser ist türkis, durchsichtig, ein wahrer Swimmingpool. Man kann dort ganz einfach Fische sehen. Viele Fische. Und dort hinten ein sichelförmiger kleiner Strand. Das Nirwana. Wir kommen wieder. Denn wir haben leider keine Zeit für ein kurzes Bad, wir haben noch mehr grandiose Dinge auf dem Programm.

 

Das Boot kehrt bereits wieder um, kommt wieder an der Madonetta vorbei und fährt nun auf die höchsten Klippen zu. Man kann gut die Kalkschichten sehen, die wie ein riesiger Blätterteig quasi waagerecht aufeinander liegen – allerdings ohne Vanillecreme. Der Schiffsmotor brummt, die Klippe zieht vorbei, die Häuser tauchen auf, am Rand des Abgrunds errichtet. Beeindruckend. Und diese dunkle Narbe dort, die sich in 45° von oben nach unten zieht, ist die berühmte Treppe des Königs von Aragon. Ich sage meinen Freunden Bescheid, dass wir nach der Kreuzfahrt in die Oberstadt hinaufgehen und gehe auf der Stelle zu dieser Treppe. Sie ist ein Muss: 187 Stufen hinunter und ebenso hinauf: Arthur hat seinen Spaß, seine Freundin eher weniger.

Das Schiff kehrt langsam aber sicher in den Hafen zurück. Ich schaue auf die Uhr und sage zu Arthur: „54 Minuten“. Er antwortet mir: „Das ist eine Stunde pures Glück”.